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Psychoanalytisch orientierte Studien zur Suizidalität im Alter; Psychoanalytically oriented studies on suicidality in old age;
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جلد:
36
رسالہ:
Forum der Psychoanalyse
DOI:
10.1007/s00451-020-00394-6
Date:
June, 2020
فائل:
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Forum Psychoanal (2020) 36:149–161 https://doi.org/10.1007/s00451-020-00394-6 ORIGINALARBEIT Psychoanalytisch orientierte Studien zur Suizidalität im Alter R. Lindner Online publiziert: 19. Mai 2020 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Zusammenfassung Die Suizidraten älterer und hochbetagter, besonders männlicher Personen in den westlichen Ländern sind hoch. Angebot sowie Nutzung psychotherapeutischer Behandlungen und Einrichtungen sind dagegen gering. Vor diesem Hintergrund wurden die intrapsychischen Dynamiken und die psychosozialen Bedingungen suizidaler älterer Personen untersucht. Basierend auf 30 Tiefeninterviews wurden idealtypische Konstellationen zur Suizidalität Älterer bezogen auf ihr Inanspruchnahmeverhalten von Hilfsangeboten und ihre Beziehungsgestaltung gebildet. Ein semistrukturiertes Interview zur inneren Welt und aktuellen Lebenssituation älterer Menschen wurde daraus entwickelt und evaluiert. Anschließend wurden hochbetagte suizidale multimorbide Patienten einer geriatrischen Klinik untersucht. Die Idealtypen suizidaler Älterer, die keine Behandlung wünschen, repräsentieren multideterminierte Formen psychosozialen Rückzugs, die Suizidalität unterhalten und fördern, was dazu führt, dass negative Gegenübertragungsreaktionen die Aufnahme von Psychotherapien erschweren. In der Untersuchung geriatrischer Patienten unterschieden sich die suizidalen Personen von den Kontrollen signifikant durch eine höhere Depressivität und häufigere psychiatrische Behandlungen in der Anamnese. Die akut erlebte Suizidalität wurde, verglichen mit derer im Lebensverlauf, häufiger durch eine schwere körperliche Erkrankung ausgelöst, gefolgt von interpersonellen Konflikten. Die Patienten äußerten den Wunsch, eher mit Angehörigen über ihre Suizidalität zu sprechen als mit Professionellen. Zudem wurden spezifische Aspekte der Suizidalität im Alter qualitativ und kasuistisch untersucht. Aus den Ergebnissen wurden Konzepte zu Behandlungsangeboten und Suizidprävention erarbeitet. Prof. Dr; . med. R. Lindner () FG Theorie, Empirie und Methoden der Sozialen Therapie, Institut für Sozialwesen, Universität Kassel, Arnold-Bode-Str. 10, 34127 Kassel, Deutschland E-Mail: reinhard.lindner@uni-kassel.de K 150 R. Lindner Psychoanalytically oriented studies on suicidality in old age Abstract In Western countries suicide rates among older and very old, particularly male, persons are high. The supply and use of psychotherapeutic treatments and facilities are low. Against this background, the intrapsychic dynamics and psychosocial conditions of suicidal older persons were investigated. On the basis of 30 in-depth interviews, ideal-typical constellations of suicidal elderly persons were formed concerning their behavior in using offers of help and their relationship formation. A semi-structured interview on the inner world and current life situation of older persons was developed and evaluated. Subsequently, very old suicidal multimorbid patients of a geriatric clinic were examined. The ideal types of suicidal elderly, who do not wish to undergo treatment, represent multi-determined forms of psychosocial retreat that maintain and promote suicidal tendencies, which leads to negative countertransference reactions that make it difficult to take up psychotherapy. In the study of geriatric patients, the suicidal individuals differed significantly from the controls in terms of more severe depression and more frequent psychiatric treatments during lifetime. Acutely experienced suicidality was more often triggered by a severe physical illness compared to those in the course of life, followed by interpersonal conflicts. The patients expressed the wish to talk about their suicidality with relatives rather than with professionals. In addition, specific aspects of suicidality in old age were investigated qualitatively and in case reports. The results were used to develop concepts for treatment offers and suicide prevention. Suizidalität im Alter Der Suizid trägt die Handschrift des Alters. Im Jahr 2017 betrug der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtzahl der Suizidenten in Deutschland 38,42 %, bei den Männern 38,11 % und bei den Frauen 39,36 %. Im Vergleich zur allgemeinen Suizidrate, das heißt zur Zahl der Suizide, bezogen auf 100.000 Personen der Grundgesamtheit, von 11,16 (2017) über alle Altersgruppen und Geschlechter sind die Suizidraten alter Menschen ungleich höher: Insgesamt betragen diese bei den über 65-Jährigen 21,39, davon bei den Männern 34,48 und den Frauen bei 8,87. Mit zunehmendem Alter steigen die Raten besonders bei den Männern deutlich an (Müller-Pein 2019). Ältere wenden häufiger „harte“ Suizidmethoden an, wie zum Beispiel Erhängen, Erschießen und Sprung aus großer Höhe. Die Rate der Suizidversuche ist bei alten Menschen dagegen deutlich geringer als bei jüngeren. In der Zusammenschau mit den hohen Suizidraten Älterer bedeutet dies für die Praxis: Suizidale Ältere begehen eher einen Suizid als einen Suizidversuch. Und: Vor einem Suizid steht deutlich seltener ein Suizidversuch. Auch weitere empirischen Befunde machen deutlich, dass Suizidalität und Suizid relevante Themen im Alter sind und Suizidalität im Alter noch verborgener, K Psychoanalytisch orientierte Studien zur Suizidalität im Alter 151 weil ohne vorangekündigtes suizidales Handeln, ist. Ältere Suizidenten1 und ältere Personen, die Suizidversuche begehen, leben häufig allein, sind verwitwet oder geschieden. Mit einem Suizidversuch einhergehende Depressionen werden auch von ärztlicher Seite unabhängig vom Lebensalter oftmals nicht erkannt. Ältere Menschen haben häufiger Lebensüberdrussgedanken und Suizidideen als jüngere (Barnow und Linden 2000; Raue et al. 2006). Suizidalität im Alter erscheint tabuisierter, als dies ohnehin der Fall ist (Schaller und Erlemeier 2014). Im höheren Lebensalter sind Krankheiten, welche mit starken Schmerzen und Einschränkungen der selbstständigen Lebensführung einhergehen, besonders häufig mit Suizidalität assoziiert (Smith et al. 2004; Wedler 2009; Li und Conwell 2010). Hierzu zählen besonders Herzinsuffizienz, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, Anfallsleiden, Harninkontinenz und vor allem mittlere bis schwere Schmerzen (Miller et al. 2008). Dabei ist es nicht das Ausmaß an Behinderung, sondern die individuelle Bedeutung, die die Erkrankung, besonders aber ihre einschränkenden Symptome, für den Einzelnen haben (Maris et al. 2000). Viele Ältere haben suizidale Gedanken in Verbindung mit der Angst, schwer körperlich zu erkranken, dement und abhängig zu werden (Lindner et al. 2008). Weder eine spezifische somatische Erkrankung noch die Diagnose einer Depression reichen jedoch als Erklärung für Suizidalität aus, wie auch ihre Behandlung nicht das alleinige Mittel einer wirksamen Behandlung der Suizidalität sein kann (Loebel 2005). Suizidale Ältere sind immer noch in allen Behandlungsformen, seien sie stationär, ambulant, allgemeinmedizinisch, psychiatrisch, psychotherapeutisch oder beratend, unterrepräsentiert (Erlemeier 2011). Suizidalität ist auch im Alter ein Kernphänomen vieler psychischen Erkrankungen, besonders bei Depressionen, Psychosen und Alkoholabhängigkeit. Sie ist zugleich nicht mit einer spezifischen psychischen Störung assoziiert und kann auch ohne diese auftreten. Suizidalität setzt zwar einen Todeswunsch voraus, Todeswünsche jedoch müssen nicht notwendigerweise mit Suizidalität einhergehen (Kremeike et al. 2019). Bis jetzt ist noch nicht empirisch geklärt, ob ältere Menschen, die unter Lebensmüdigkeit und Todeswünschen leiden, ein vermehrtes suizidales Risiko haben (Sperling et al. 2009). Barnow und Linden (2000) fanden Lebensmüdigkeit bei 15 % aller über 70-Jährigen, bei 5 % Todeswünsche und lediglich bei 1 % Suizidgedanken und direkte suizidale Handlungen. Vor dem Hintergrund besonderer Bewältigungs- und Entwicklungsprozesse im Alter kann Suizidalität Ausdruck von lebenslangen Prozessen sein, die auch im Alter weiter wirksam sind. Zum anderen aber kann Suizidalität altersspezifische Auslöser haben. Hier nehmen die Trennungserfahrungen einen besonderen Stellenwert ein: der Verlust an beruflicher Identität, die Veränderungen in der Beziehung zum eigenen Körper, seinen Funktionen und der Bedrohung durch Krankheit und Tod, aber auch die Veränderungen der interpersonellen Beziehungen im Alter. Unabhängig vom Alter wird aus psychodynamischer Sicht angenommen, dass suizidale Menschen im gesamten Lebensverlauf vermehrt Erfahrungen von Verlust und aggressiv-destruktiven Interaktionen mit wichtigen Menschen machen. Teising (1999) stellt die 1 In diesem Text wurde überwiegend die männliche Bezeichnung von Personen verwendet. Dies dient allein einer vereinheitlichenden Schreibweise. Ausgenommen, das Geschlecht ist eindeutig benannt, bezieht es sich auf Personen jedweder Geschlechtsorientierung. K 152 R. Lindner entwicklungspsychologische Hypothese einer lebenslang bestehenden labilen Geschlechtsidentität auf, hervorgerufen durch eine besonders destabilisierende Art der Deidentifizierung vom mütterlichen Primärobjekt während der Zeit der frühen Triangulierung. Dies mache den alten Mann gerade für körpernahe Verlusterfahrungen und existenzielle Zerstörungsgefühle verletzlich. Unerträgliche Affekte, besonders verknüpft mit der Erfahrung der Abhängigkeit und des Ausgeliefertseins, würden in den Körper projiziert und abgespalten (Heuft et al. 2000; Peters und Lindner 2019). Die psychodynamische Behandlung alter Suizidgefährdeter Die psychodynamische Psychotherapie ist eine der zentralen Behandlungsmöglichkeiten der Suizidalität (Lindner, 2006; Lindner und Schneider 2016; Peters und Lindner 2019). Dies gilt auch für die Psychotherapie älterer Suizidgefährdeter. Allerdings beruht diese Erkenntnis bisher auf klinischer Erfahrung, wie sie gerade in den Forschungsprojekten des Therapie-Zentrum für Suizidgefährdete (TZS) gewonnen werden konnte und auf (zum Teil kumulativen) kasuistischen Arbeiten (Lindner und Sandner 2015; Lindner 2017c, 2018). Zentrales therapeutisches Mittel ist die genaue Reflexion der Übertragungssituation, die besonders vor dem Hintergrund subtiler Gegenübertragungsaggression beachtet werden muss (Maltsberger und Buie 1974). Hierzu zählt die unbewusste Identifikation mit dem Todeswunsch des Patienten, die es unmöglich macht, eine eigenständige, wiewohl an den Empfindungen und Bestrebungen des Patienten orientierte Haltung zu bewahren. Diese Kollusion kann in einen unbewussten Rache- oder Tötungswunsch beim Therapeuten münden, der durch die unbewussten Wünsche nach Bestrafung und zugleich Rache an der eigenen Person beim Patienten induziert wurde (Menninger 1933). Bisher ist die Frage noch wenig untersucht, ob derartige Dynamiken auch im Hinblick auf den Wunsch nach assistiertem Suizid vorkommen und wirksam sind (Peters und Lindner 2019; Lindner 2019). Gerade Wünsche des Therapeuten, dem Patienten zu helfen oder ihn zu ermutigen, seine Wünsche nach dem Lebensende in einem sanften und kontrollierten Tod zu erfüllen, können im Sinne einer umgekehrten Übertragung (Radebold 1992) die grundsätzliche Verschiedenheit von Patient und Therapeut aufheben. Der Therapeut als zugewandtes und doch nichtidentisches (und mit dem Patienten identifiziertes) Gegenüber könnte jedoch eine Antwort bieten, auf die existenzielle Anfrage des Patienten nach Suizidassistenz angesichts von Angst vor Verlassenheit und Vernichtung des Selbst (Teising und Lindner 2019). Die klinische Erfahrung zeigt, dass Formen der manipulativen Suizidalität, wie sie bei jüngeren Patienten die Behandlung erheblich belasten können, in der Therapie älterer suizidaler Menschen subtiler auftreten. Dagegen ereignen sich Formen des inneren kaum merkbaren Rückzugs und der altruistischen Selbstaufgabe häufiger und müssen erkannt und aktiv angesprochen werden. Dabei sind, wie dies auch bei jüngeren suizidgefährdeten Patienten gilt, die psychotherapeutischen Strategien und Handlungen geprägt von einer zweiseitigen Grundhaltung, nämlich der größeren Sichtbarkeit und Präsenz des Therapeuten einerseits und der Öffnung für die subtilen wechselseitigen Einflussnahmen im Übertragungs- und Gegenübertragungsgeschehen andererseits. K Psychoanalytisch orientierte Studien zur Suizidalität im Alter 153 Untersuchungen zur Suizidalität Älterer und zu deren Behandlung Das TZS am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf bot von 1990 bis 2012 niedrigschwellige Richtlinienpsychotherapie für akut und chronisch suizidgefährdete Patienten an (Götze et al. 2002; Fiedler et al. in diesem Heft). Die Patienten befanden sich überwiegend im jüngeren bis mittleren Lebensalter zwischen 21 und 40 Jahren. In der klinisch-psychotherapeutischen Arbeit zeigte sich, dass der Anteil älterer Patienten trotz der hohen Suizidgefahr Älterer und trotz einer „niedrigen Schwelle“ zur Aufnahme einer Psychotherapie im TZS sehr gering war. Mitglieder der Forschungsgruppe „Psychotherapie und Suizidalität“ des TZS entschieden sich für eine nachhaltige Forschungsstrategie, um über ein erweitertes psychodynamisches Verständnis der Suizidalität zur besseren Behandlung suizidaler Älterer beizutragen. Am Anfang stand die Forschungsfrage, warum ältere Suizidgefährdete sich so selten wegen ihrer Suizidalität in psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung begeben. Es folgten die Entwicklung, Evaluation und Anwendung eines halbstrukturierten Interviews zur psychosozialen Situation und Suizidalität Älterer und eine Fokussierung auf die Suizidalität multimorbider Hochbetagter im geriatrischen Setting. Begleitend wurden qualitativ und kasuistisch kleinere Forschungsfragen untersucht. Idealtypen suizidaler Älterer, die sich nicht in Behandlung begeben wollen (Lindner et al. 2006, 2008, 2012) In einer systematischen qualitativen Studie wurden Tiefeninterviews mit 30 Personen (Durchschnittsalter 76 Jahre) durchgeführt, die sich selbst als suizidal einschätzten, sich deswegen jedoch nicht in eine Behandlung begeben wollten. Sie meldeten sich nicht als Hilfesuchende, sondern als Informanten aufgrund eines Aufrufs in einer Hamburger Tageszeitung. Mit der Methodik der verstehenden Typenbildung wurden Idealtypen von Übertragungsangeboten suizidaler Älterer vor dem Hintergrund lebensgeschichtlicher Leitthemen und der suizidalen Symptomatik entwickelt. Diese Typologie stellt vielfältig zu begründende Rückzugsdynamiken suizidaler Älterer dar. Diese fördern und unterhalten einerseits die Suizidalität und führen zugleich dazu, sie in der Behandlung zu verschweigen. Zudem trägt dieser Rückzug zu negativen Gegenübertragungsreaktionen bei, die der Aufnahme einer therapeutischen Beziehung im Wege stehen. 1. Eine Angst vor zunehmender Pflegebedürftigkeit und Abhängigkeit von Pflegepersonen bei gleichzeitiger Sehnsucht nach kompetenter und wirkungsvoller Unterstützung kann auf einen unbewussten Konflikt zwischen Fusionswünschen und Ängsten, aufgesogen und dann ausgestoßen zu werden, hinweisen (Kind 1992). 2. Eine Variante dieses konflikthaften Geschehens ist die direkte Reaktualisierung von suizidalen Autonomiekonflikten in der helfenden Beziehung: „Koste es mein Leben, ich will unabhängig bleiben!“ 3. In der professionellen Beziehung kann ein überwältigend-aggressives Verhalten der Abwehr unbewusster Bedrohungs- und Ausschlusserfahrungen dienen. K 154 R. Lindner 4. Umgekehrt kann ein vordergründig „reibungsloses“ und zugewandtes Kontaktverhalten dazu führen, dass man miteinander gar nicht ins Gespräch über zentrale Ängste, Befürchtungen oder suizidale Gedanken und Impulse kommt. Mit diesem Beziehungsangebot wird eine unbewusste Enttäuschungswut abgewehrt, die dann meist nur im verärgert-gelangweilten Gegenübertragungserleben erfahrbar wird. 5. Ältere Suizidgefährdete können aus einer Angst vor der Reaktualisierung belastender Gefühle von Schuld, Verlust und Ärger die Aufnahme einer Psychotherapie vermeiden. Es wird befürchtet, dass diese Gefühle ähnlich unaushaltbar und isolierend sein würden, wie sie früher erlebt wurden. 6. Es gibt ältere suizidale Personen, die sich im Zustand größter psychischer, physischer und/oder sozialer Instabilität befinden. Die psychosoziale Dynamik führt dann im Behandler zur Entscheidung, der Person konkret zu helfen und eine Psychotherapie hintanzustellen. Im Unterschied zu der Vorstellung, dass die Suizidalität Älterer überwiegend auf altersbedingte „Aktualkonflikte“ zurückgeht (Heuft et al. 2000), sprechen diese Ergebnisse, wie auch weitere klinische und empirische Studien aus dem TZS dafür, dass sich die Ursachen der Suizidalität im Alter sehr langfristig entwickelt haben. Sie erschienen überwiegend als Ausdruck langjährig dysfunktionaler Objektbeziehungen und traumatischer Erfahrungen in Kindheit und Jugend und ihrer dysfunktionalen Verarbeitung und können sich bereits in bei ersten Kontakten auftretenden Enactments (Klüwer 2001) zeigen (Gerisch et al. 2000; Lindner 2009, 2015, 2018; Lindner et al. 2014). Entwicklung und Evaluation eines strukturierten Interviews (Altenhöfer et al. 2008) Basierend auf den Ergebnissen der ersten Erhebungsphase wurde ein Interviewleitfaden entwickelt, mit dessen Hilfe die innere Welt und aktuelle psychosoziale Situation älterer, über 60-jähriger Probanden explorativ erfragt und untersucht werden kann. Das vorliegende halbstrukturierte Interview setzt sich aus 12 Segmenten zusammen, die nach- und aufeinander aufbauend von einem Interviewer erfragt werden: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. soziodemografische Daten, aktuelles Befinden, Behandlungs(vor)erfahrungen, Beziehungserfahrungen, Einstellungen, Verlust von Angehörigen, Suizidalität, traumatische Lebenserfahrungen, Rückschau und Perspektive, Religion und Überzeugungen, Tagesgestaltung und Freizeit. K Psychoanalytisch orientierte Studien zur Suizidalität im Alter 155 Die evaluierende Untersuchung erfolgte an drei Gruppen: Suizidale Personen, die bisher nicht in einer Therapie wegen ihrer Suizidalität waren (n = 25), Suizidale, die in Behandlung waren und ihre Suizidalität auch kommunizierten (n = 15), und nichtsuizidale Probanden (n = 27). Das Durchschnittsalter betrug 70 Jahre. Die Probanden, die sich wegen ihrer Suizidalität nicht in Behandlung begeben hatten, erlebten diese überwiegend in konflikthaften Beziehungen, die zu Rückzug und Vermeidung führten. Sie sahen Professionelle nicht als Ansprechpartner für ihre Probleme an, sondern eher Angehörige, Freunde und Bekannte und begründeten dies mit Angst vor Stigmatisierung, mit Unkenntnis möglicher Hilfsangebote und früheren schlechten Erfahrungen mit Helfern. Gerade unter diesen Personen waren viele, die ihre Suizidalität auch zur Selbststabilisierung einsetzten und von dem Gedanken an Suizid als „Ausweg“ und „letztem Mittel“ beruhigt waren. Dagegen fühlten sich Suizidale in Behandlung von ihrer Suizidalität bedroht und erlebten diese als unangenehm. Sie verstanden ihre Suizidalität mehrheitlich als depressives Krankheitsgeschehen oder als Folge einer schweren körperlichen Erkrankung; sie war von Grübeleien und Ängsten begleitet. Die Besonderheit der Gruppe der sich nicht in Behandlung begebenden Suizidalen zeigte sich auch in begleitenden Untersuchungen, die mithilfe von Fragebogen durchgeführt wurden: Der Gruppenvergleich mittels des Symptom-Checkliste (SCL-90 R; Derogatis und Unger 2010) zeigte auf den Subskalen des Global Severity Index (GSI) „Unsicherheit im Sozialkontakt“, „Aggressivität/Feindseligkeit“ und „paranoides Denken“, dass diese Gruppe unter dysfunktionelleren Beziehungen litt und zu drei Formen des Rückzugs neigte: Rückzug aus einer paranoiden Angst vor Vereinnahmung und Bevormundung, Rückzug aus Angst vor zerstörerischer Abhängigkeit und vor Autonomieverlust und Rückzug aus Angst vor der Reaktualisierung negativer emotionaler Erfahrungen in der Therapie. Suizidalität in der Geriatrie (Lindner et al. 2014). Angesichts der stabilen empirischen Datenlage, dass die Suizidraten Hochbetagter, über 80-Jähriger, im Altersvergleich die höchsten sind (Müller-Pein 2019), die bisherigen Studien jedoch mit Probanden erfolgten, die ein mittleres Alter von ca. 70 Jahren hatten, wurde eine Forschungskooperation mit der Medizinisch-Geriatrischen Klinik Albertinen-Haus in Hamburg eingegangen. Mithilfe des semistrukturierten Interviews wurden intrapsychische und psychosoziale Bedingungen von 20 akut suizidalen klinisch-geriatrischen Patienten in einem mittleren Alter von 80 Jahren und 20 randomisierten, nichtsuizidalen Kontrollpatienten untersucht. In der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS 21; Hamilton 1960; AMDP und CIPS 1990; Herrmann et al. 1995) zeigte sich eine signifikant höhere Depressivität der suizidalen alten Menschen. Erfahrungen körperlicher Erkrankungen übernehmen bei der, durch körperliche Erkrankungen besonders beeinträchtigten Gruppe der multimorbiden geriatrischen Patienten eine führende, Suizidalität auslösende Funktion, gefolgt von interpersonellen Konflikten. Ein signifikanter Unterschied fand sich in der Einschätzung der Beziehungen der Patienten zu ihnen wichtigen Menschen. Befragt nach den Beziehungen zu den wichtigsten Menschen K 156 R. Lindner in Kindheit, Erwachsenenalter und jetzt im hohen Alter zeigten die Ratings, dass die suizidalen Patienten signifikant negativer über bedeutsame Personen in ihrer Kindheit und auch aktuell berichteten. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese, dass sogar im hohen Alter die Beziehungserfahrungen aus Kindheit, Jugend und dem weiteren Leben die Erfahrungen in den aktuellen Beziehungen beeinflussen. Zudem wird ein spezifisches Konfliktpotenzial deutlich: Die suizidalen Alten erleben sich zwar häufiger in konflikthaften Beziehungen zu ihnen wichtigen Menschen, sie wünschen sich aber, gerade mit diesen Personen über ihre Suizidalität sprechen zu können, signifikant häufiger als mit das Gespräch mit Professionellen. Die Kommunikation suizidaler geriatrischer Patienten im Krankenhaus weist zudem auf Autonomie-Abhängigkeit-Konflikte und einen ärgerlich-enttäuschten Rückzug hin. Diese Rückzüge können zu einer spezifischen Gegenübertragung führen, mit Wünschen, den Patienten zu verlassen, mit Ideenlosigkeit und Vergessen, aber weniger mit direktem Ärger. Die Wahrnehmung des Nichterlebten, scheinbar Unspektakulären angesichts realer Lebensgefahr erfordert eine schwierige, aber mögliche Aufmerksamkeit des Therapeuten (Lindner 2012). Exploration intrapsychischer Dynamiken der Suizidalität Älterer Um komplexere Zusammenhänge zu untersuchen, insbesondere Phänomene, die sich der direkten Beobachtung und Messung entziehen, wurde auf qualitative Forschungsmethoden zurückgegriffen (Lindner 2011). Suizidalität und Sexualität im Alter (Klug et al. 2008) Sowohl Sexualität als auch Suizidalität älterer Menschen scheinen in Wissenschaft und therapeutischer Praxis einem Tabu zu unterliegen. Deshalb wurden suizidale Älteren im Rahmen eines strukturierten Interviews Fragen zu ihrer Sexualität gestellt. Hierzu lagen aus der Gesamtstichprobe (n = 67) suizidaler und nichtsuizidaler Probanden im mittleren Alter von 70 Jahren nach Drop-out wegen technischer Probleme der Aufzeichnung die Antworten von 56 Probanden (suizidale n = 33, nichtsuizidale n = 23) vor. Diese wurden transkribiert, und mittels der systematischen qualitativen Methode der verstehenden Typenbildung wurden aus diesem Material Idealtypen gebildet. Es fanden sich vier Typen, die besonders häufig auf den Angaben suizidaler Probanden beruhten. Hierzu gehörte ein Typ mit Personen, die sich „missbraucht und resignativ“ erlebten, und ein Typ mit Personen, die sich von Beziehungen „getrennt und abgekapselt“ hatten. Demnach ist Suizidalität im Alter besonders deutlich mit einem Rückzug aus Beziehungen assoziiert, in denen Sexualität eine Rolle spielt. Zudem aber fanden sich ein „weiblich narzisstischer“ und ein „männlich narzisstischer“ Typus. Der weibliche Typus „autonom, lustvoll“ repräsentiert eine inzwischen alleinstehende Frau, die angibt, Sexualität sei ihr sehr wichtig. Sie habe in späteren Lebensjahren noch einmal neue, positive, fast schon idealisiert anmutende Erfahrungen gemacht. Sie betont ihre Autonomie in Beziehungen und setzt ihre Sexualität durchaus als Machtmittel ein. Dieser Aspekt der Autonomie findet sich auch in der suizidalen Überzeugung, das Lebensende unbedingt selbst in der Hand haben zu K Psychoanalytisch orientierte Studien zur Suizidalität im Alter 157 wollen. Der „männliche“ Gegenpart ist geprägt von einer Beziehungsproblematik, in der häufig wechselnde Partner, instabile Bindungen und fehlende kritische Selbstreflexion im Vordergrund standen. Der sexuelle „Erfolg“ wurde stark an der Potenz festgemacht. Ein prototypischer Proband sagte: „Wenn die Sexualität nicht da ist, stelle ich mir schnell die Frage, wirst Du unattraktiv?“ Suizidalität alter Männer (Lindner 2010) Mittels eines qualitativen Fallvergleichs von 5 zufällig ausgewählten älteren Männern (60+) mit Idealtypen jüngerer suizidaler Männer (Lindner 2006), hinsichtlich suizidaler Symptomatik, Übertragungsbeziehung und Lebensgeschichte wurden Spezifika suizidaler älterer Männer beschrieben. Die fünf älteren suizidalen Männer befinden sich überwiegend in langen, konfliktreichen Partnerschaftsbeziehungen und haben ebenso ambivalente Beziehungen zu ihren Kindern. Die suizidale Dynamik dieser Männer weist auf lebenslang bestehende intrapsychische Konflikte hin, die die (männliche) Identität, den Selbstwert und den Kernkonflikt zwischen Fusions- und Abgrenzungswünschen betreffen. Das Erleben körperlicher Veränderungen, seien diese durch Alterungs- oder durch Krankheitsprozesse geprägt, gewinnt eine zentrale Rolle im suizidalen Erleben, sei es als Lockerung einer Abwehrinstanz, wodurch bislang unbewusste aggressive und neidvolle Impulse, aber auch Gefühle der Leere und Unsicherheit in der eigenen Identität zum Bewusstsein gelangen. Im suizidalen Befinden kann dies erneut, auch durch Projektion auf den Körper, abgewehrt werden. Kasuistiken Suizid und Suizidalität sind vergleichsweise seltene Ereignisse. Deshalb ist es auch aus Forschungsgesichtspunkten legitim und notwendig, kasuistisches Material zu Suizidalität im Alter zu sammeln und zu publizieren, um so einen Fundus an Material für weitere Forschungsfragen, jedoch auch Beispiele für die klinische Handhabung schwieriger Situationen verfügbar zu machen. Aus diesem Grund wurden Kasuistiken zum psychoanalytischen Verständnis von Trauma und Suizidalität im Alter (Briggs et al. 2012), zum Umgang mit einem Suizid in der geriatrischen Klinik (Lindner 2009) und zum Verständnis der Suizidalität körperlich schwer erkrankter und sterbender Patienten (Lindner und Vogel 2012; Lindner 2015, 2017a, 2018) erstellt. Zum Zusammenhang von Trauma und Suizidalität wurde der Fall eines zu Beginn einer tiefenpsychologisch fundierten Behandlung 62-jährigen suizidalen Patienten untersucht, der in Kindheit und Jugend der Erfahrung von mütterlicher chronischer Suizidalität mit rezidivierenden Suizidversuchen und letztlich des Suizids der Mutter ausgesetzt war. Er verinnerlichte ein Beziehungsmuster, geprägt von dem inneren Imperativ: „Ich hätte sie begleiten müssen“, das seine wichtigen Beziehungen im ganzen Leben, auch in der Psychotherapie, prägte. Die Falldiskussionen fokussierten drei verschiedene Aspekte: (1) die Bedeutung des Suizids eines nahen Menschen auf die Entwicklung, (2) die traumatische Dimension suizidalen Verhaltens auf das K 158 R. Lindner eigene Selbst und (3) den Einfluss traumatischer Erfahrungen in der Kindheit auf die Entwicklung von Suizidalität im späteren Leben (Briggs et al. 2012). Der Suizid eines 88-jährigen geriatrischen Patienten in der Klinik wurde vor dem Hintergrund der Inszenierung eines unbewussten Aggressionskonfliktes untersucht und die Bedeutung der Aufarbeitung des Geschehens im Rahmen einer Suizidkonferenz für die Wiedergewinnung der Arbeitsfähigkeit des geriatrischen Teams beschrieben (Lindner 2009). Die Bedeutung körperlicher Symptome für einen Suizidversuch wurde anhand des Tiefeninterviews eines 81-jährigen Mannes mit einer Maculadegeneration untersucht. Im Rahmen eines Beschämungserlebens war es zu einer Reaktualisierung einer destruktiven Abwehr von Ohnmachts- und Auslieferungserfahrungen an ein bösartiges, vernichtendes Objekt gekommen, die mittels einer geradezu faschistisch anmutenden-suizidalen Fantasie: „Wenn ein Mensch sich nicht mehr allein helfen kann, muss er weg“ ausagiert wurde (Lindner 2015). Die suizidale Krise eines 75-jährigen Patienten, der sich wegen eines Dickdarmkarzinoms in palliativmedizinischer Behandlung befand, wurde unter psychodynamischen Gesichtspunkten untersucht. Das Angebot einer realen, spürbaren, effektiven und anhaltenden medizinischen und zureichenden pflegerischen Unterstützung machte es möglich, negative Affekte, Vorwürfe und herausforderndes Verhalten auszuhalten, zu begrenzen und zugleich den Patienten zu entlasten (Lindner und Vogel 2012). An der Psychotherapie einer 94-jährigen multimorbiden und sterbenden geriatrischen Patientin mit dem Wunsch nach assistiertem Suizid wurde schließlich der Frage nachgegangen, ob in dem Wunsch nach Suizidassistenz ein lebenslanger Konflikt zwischen einem Begleitungswunsch und einer hochaggressiven Enttäuschungswut am Objekt zum Ausdruck kam. In der Aufnahme des Übertragungsangebots eines idealisierten und zugleich verlassenden (väterlichen) Objekts wurde es möglich, hinter dem Suizidwunsch stehende Wünsche nach Austausch über existenzielle Fragen und nach anhaltender Zugewandtheit anzusprechen. Dies machte das gemeinsame suizidale Agieren unnötig. Durch das Gespräch darüber, was sie „an das Leben bindet“, konnte sie sukzessive von diesen Bindungen lassen (Lindner 2018; Peters und Lindner 2019). Konsequenzen für die psychotherapeutische und suizidpräventive Arbeit Aus den unterschiedlichen Phasen der Untersuchungen zur Suizidalität bei Älteren lassen sich verschiedene Rückschlüsse zur Behandlung und zur Suizidprävention ziehen. Misstrauen und Angst vor Verurteilung können in der Psychotherapie gut angesprochen werden; stellt sie doch weniger die Krankheit als die Person des Patienten und sein Erleben und Leiden in den Mittelpunkt ihres Nachdenkens. Die Exklusivität einer psychotherapeutischen Beziehung ist vielen alten suizidalen Patienten gar nicht vorstellbar. Hierzu gehört auch die massive Einschränkung vieler suizidaler alter Personen aufgrund von Multimorbidität und Immobilität. Auf der anderen Seite gibt es unter Psychotherapeuten immer noch einen erheblichen Vor- K Psychoanalytisch orientierte Studien zur Suizidalität im Alter 159 behalt, die eigenen Praxisräume zu verlassen und diese Patienten zur Psychotherapie zu besuchen. Erste qualitative Studien belegen, dass eine psychodynamische Psychotherapie und Reflexion der Interaktion im Rahmen von Übertragung und Gegenübertragung auch möglich ist, wenn die äußeren Rahmenbedingungen der Therapie wechseln und zum Beispiel Hausbesuche gemacht werden (Lindner und Sandner 2015; Peters und Lindner 2019). Derartige Behandlungen sind im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich (Lindner 2017b). Insgesamt weisen die hier zusammengefassten Arbeiten, die im Umfeld des TZS und im kreativen Austausch unter den dort arbeitenden und forschenden Kolleginnen und Kollegen entstanden sind, darauf hin, dass Psychotherapeuten auch die Aufgabe haben, den allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs über Suizidalität gerade im Alter zu befördern. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Erfahrungen notwendig und sollte mit den Mitteln psychoanalytischer Erkenntnisinstrumente auf gesellschaftliche Prozesse erfolgen. Psychodynamische Psychotherapeutinnen und -therapeuten können z.B. auf kollektive unbewusste Identifikationen hinweisen, die zu gerontophoben Einstellungen in der Bevölkerung führen. Ausgrenzung der Hochbetagten und Pflegebedürftigen, Tabuisierung der Suizidalität und ihre teils heimliche, teils offene Unterstützung und die Verleugnung intergenerationeller Konflikte fordern hier besondere Aufmerksamkeit. Psychotherapeuten können durch Supervision, Fort- und Weiterbildung (zum Beispiel in Einrichtungen der Altenhilfe), jedoch auch durch Präsenz in öffentlichen Diskursen für eine aufgeklärte, solidarische und die zentralen Fakten des Lebens (Money-Kyrle 2015) anerkennende Perspektive eintreten. Am aktuellen Beispiel der öffentlichen Diskussion um den assistierten Suizid lässt sich aufzeigen, wie sehr ein psychoanalytischer Beitrag gefordert ist, der die grundsätzliche Konflikthaftigkeit des menschlichen Lebens und Sterbens in Erinnerung ruft. Auch im Alter und bei Fragen des Lebensendes sind wir keine rein autonom fühlenden, denkenden und handelnden Wesen, sondern erleben uns als aufgespannt zwischen Wünschen nach eigenständiger Entscheidung über unser Leben und zugleich nach Verbundenheit und Abstimmung mit anderen. Wir sind durch die Generationen und durch Leben und Tod voneinander getrennt. Zugleich aber sind wir in dieser Getrenntheit in der Lage, einander zu verstehen und zu begleiten. Denn es sind Beziehungen, die uns an das Leben binden. Förderung Die Forschungsprojekte wurden gefördert durch die Werner-Otto-Stiftung, die Hinrich-RaveStiftung und durch das Forschungskolleg Geriatrie der Robert Bosch Stiftung. Interessenkonflikt R. Lindner gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur Altenhöfer A, Lindner R, Fiedler G, Götze P, Foerster R (2008) Profile des Rückzugs – Suizidalität bei Älteren. Psychother Alter 5:225–240 AMDP & CIPS (1990) Ratingscales for psychiatry. Beltz, Weinheim Barnow S, Linden M (2000) Epidemiology and psychiatric comorbidity of suicidal ideation among the elderly. Crisis 21:171–180 Briggs S, Goldblatt MJ, Lindner R, Maltsberger JT, Fiedler G (2012) Suicide and trauma: a case discussion. Psychoanal Psychother 26(1):13–33 Derogatis LR, Unger R (2010) Symptom checklist-90-revised. Corsini encyclopedia of psychology. 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